•
Der bisherige Anstieg der Fallzahlen hat sich noch gar nicht voll auf den Intensivstationen bemerkbar gemacht. Ein schwerer Verlauf der Krankheit zeigt sich häufig erst nach vielen Tagen. Werden die Betroffenen dann auf die Intensivstation verlegt, müssen sie dort manchmal wochenlang behandelt werden. Das bedeutet: Jede Woche werden zusätzliche Betten langfristig blockiert. Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie an der München Klinik Schwabing, hat davor bereits im April gewarnt: "Das müssen wir mit Blick auf eine mögliche zweite Infektionswelle dringend berücksichtigen. Auch wenn die Zahl der Neuinfektionen und Neupatienten konstant bleibt, füllen sich die Intensivstationen nach und nach, weil die Patienten lange dort bleiben."
•
Zudem bleibt im Moment die Zahl der Neuinfektionen ja gerade nicht konstant, sondern geht steil nach oben. Falls bald jede erkrankte Person wieder 1,5 oder 2 weitere ansteckt, verdoppelt sich alle paar Tage die Zahl der Erkrankten.
•
Ein einfaches Rechenbeispiel zeigt, was das für die Intensivstationen bedeutet: Wenn in einer Woche 500 Erkrankte eingeliefert werden, können es in der Folgewoche schon 1.000 weitere sein, in der darauffolgenden Woche 2.000, in der vierten Woche schließlich 4.000. Das Tückische daran: Wenn man in der ersten Woche noch 5.000 freie Betten hat, wirken 500 neue Fälle zunächst nicht beunruhigend. In der vierten Woche jedoch benötigt man bereits mehrere tausend Betten. Genauer: Auch wenn alle Erkrankten bereits nach zwei Wochen aus der Intensivstation entlassen werden, wären in der vierten Woche 6.000 Betten notwendig.
•
Das sind alles keine theoretischen Zahlenspiele, sondern es ist die grundlegende Dynamik von Krankheiten, deren Verbreitung exponentiell ansteigt: Ohne Gegenmaßnahmen liegt der R-Wert von Covid-19 zwischen 2,4 und 3,3. Jede erkrankte Person würde also im schlimmsten Fall mehr als drei Personen anstecken, und die Zahl der Fälle sich alle zweieinhalb Tage verdoppeln.