Noch mehr Indizien:
Schröders Rentenreformen
sind ein Reinfall



Was hat man uns nicht alles versprochen beim massiven Umbau der Rente unter Gerhard Schröder. Nun wird immer klarer: Die privaten Anbieter liefern nicht das, was sie damals beteuert haben. Jetzt gibt es neue Hiobsbotschaften, nachdem vor einer Woche bereits Schröders Berater Bert Rürup das Scheitern der Privatrente verkündet hat.
Aktualisiert 19.11.2020, 12:02

Fast wöchentlich tauchen gerade neue Indizien auf, dass die private Rente in der Krise ist: Vor zwei Wochen haben wir auf Freiblatt analysiert, dass es ein Alarmzeichen ist, wenn die Allianz keine Verträge mehr anbieten will, bei denen zumindest die Rückzahlung der eingezahlten Beträge garantiert ist. Vor einer Woche haben wir darauf hingewiesen, dass nun selbst Bert Rürup beklagt, der Plan "eine flächendeckende private Altersvorsorge zu organisieren" sei "gescheitert." Und diese Woche gibt es weitere Indizien, dass Schröders schöne neue Rentenwelt nicht funktioniert: Nach der Nummer 1, der Allianz, hat ein zweiter Topversicherer verkündet, dass er sich von der 100-prozentigen Beitragsgarantie verabschieden will: Die Ergo-Versicherung.

Andere Versicherer haben den Verkauf von Garantieprodukten sogar bereits eingestellt. Wenn man einen Vertrag ohne Garantie abschließt, kann man nach jahrzehntelanger Beitragszahlung nicht sicher sein, dass der Lebensversicherer im Alter zumindest so viel auszahlt, wie man zuvor eingezahlt hat.

Das sind Versicherungen, die keine Sicherheit bieten. Wozu bitte soll das gut sein?

Ähnlich traurig sieht es bei den Betriebsrenten aus, dem zweiten Teil aus dem Rentenreformbaukasten, den Schröder und Riester uns vor 20 Jahren angedient haben. Fast die Hälfte der deutschen Beschäftigten hat im Moment keinen Anspruch auf eine Betriebsrente. Von rund 33 Millionen versicherungspflichtigen Beschäftigten haben nur knapp 18 Millionen eine Anwartschaft auf eine Betriebsrente erworben.

Und es ist meist auch nicht der Betrieb, der für die "Betriebsrente" sorgt: Bei den meisten Verträgen, die nach der Jahrtausendwende geschlossen worden sind, finanzieren die Versicherten ihre spätere Zusatzrente überwiegend mit eigenen Einzahlungen. Entgeltumwandlung nennt man das. Meist ist das ein schlechtes Geschäft, da später im Rentenalter kräftig Steuern und Abgaben zu zahlen sind, was man den Kunden bei Vertragsschluss entweder nicht oder doch nicht so deutlich sagt. Auch nicht, dass durch diese Form der Betriebsrente die Zahlungen der gesetzlichen Rentenkasse deutlich geringer ausfallen werden.

Jetzt zeigt sich noch ein weiteres Indiz, dass die Betriebsrente nicht so funktioniert wie versprochen: Die Pensionskassen, über die diese Form der Altersvorsorge sehr oft abgewickelt wird, schwächeln massiv. Vor wenigen Tagen bestätigte der oberste Versicherungsaufseher das erschreckende Ausmaß: 36 Pensionskassen können ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden möglicherweise nicht dauerhaft erfüllen. So Dr. Frank Grund von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht auf der Handelsblatt-Jahrestagung bAV. Bereits heute werden den Versicherten und Rentnern mehrerer Pensionskassen die Leistungen gekürzt, bei der Hohner-Firmenpensionskasse, der Kölner Pensionskasse, der Caritas-Pensionskasse und der Steuerberater-Versicherung.

Die Pensionskasse des Versicherungsgiganten Allianz will sich ab 2022 aus dem Geschäft zurückziehen und keine neuen Verträge mehr annehmen. Was könnte das Scheitern der Schröderschen Alterssicherung besser verdeutlichen? Schließlich sind betriebliche Renten die hochgelobte zweite Säule des von Professor Rürup ersonnenen und von Kanzler Schröder verordneten Dreisäulenmodells.

Als Grund für die Krise der privaten Vorsorge wird in der Regel die Niedrigzinsphase genannt. Weil die Lebensversicherer für ihre sicheren Anlagen praktisch keine Zinsen mehr kassierten, könnten sie ihren Kunden auch nichts mehr garantieren. So die Legende, die quer durch fast alle Medien verbreitet wird.

Das ist falsch: Die Lebensversicherer machen auch weiter gute Gewinne, sogar in Milliardenhöhe. Da ist zum einen der Zinsüberschuss. Er ist in der Niedrigzinsphase nicht mehr die Hauptgewinnquelle, dennoch erzielten die Lebensversicherungen 2019 noch eine Nettoverzinsung ihrer Anlagen von 3,91 Prozent. Kein Grund zum Klagen also.

Zum anderen sind da die sogenannten Risiko- und Kostengewinne. Sie sind für die Versicherer wichtiger, denn sie fallen unabhängig vom allgemeinen Zinsniveau an. Sie brachten 2019 der Branche einen Profit von rund 9 Milliarden Euro. Das pikante an diesen Gewinnen: Sie stammen zu großen Teilen von den Kunden selbst. Denen werden beispielsweise höhere Verwaltungskosten in Rechnung gestellt als tatsächlich anfallen. Oder die Konzerne kalkulieren bei privaten Rentenversicherungen mit einem unrealistisch hohen Lebensalter ihrer Kunden. Das macht die monatlichen Rente für den Versicherten niedrig und sorgt beim Versicherer für einen Risikogewinn, wenn der Kunde tatsächlich nicht alt wie Methusalem wird.

Und das ist der eigentliche Skandal an der privaten Vorsorge: Die Aufsichtsbehörden erlauben es den Versicherern, durch kreatives Gestalten von Vertragsinhalten gewaltige Gewinne einzustreichen. Doch eine sichere Altersvorsorge für ihre Kunden ist angeblich nicht drin.

Es sei denn, diese Kunden hätten vorsorglich auch Aktien beispielsweise der Allianz erworben: Die Allianz hat für das Geschäftsjahr 2019 eine Rekorddividende von 9,60 Euro je Aktie gezahlt. Das entspricht einer Rendite von 4,40 Prozent. Von 1999 bis 2001, also bevor die Teilprivatisierung der Rente in Kraft trat, erzielten die Allianz-Aktionäre nur eine Dividendenrendite zwischen 0,37 und 0,56 Prozent.

So gesehen war das Ganze doch ein Erfolg. Aber eben nur für die Aktionäre.

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